1987 brachte die Rockband R.E.M. ihren Song „It’s the End of the World as We Know It (And I Feel Fine)“ heraus und eroberte die Dancefloors des Planeten. Heute, beeindruckt von einem sich immer deutlicher abzeichnenden weltweiten Klimawandel, fragt der Buchautor Hermann Theisen, ob man diesen Song immer noch ohne Beklemmung hören könne. „Können wir wirklich ernsthaft fine sein – und die Party einfach endlos weitergehen lassen, so als wäre nichts gewesen und als gäbe es kein Morgen?“, fragt er. Und er fragt das nicht nur sich selbst, sondern 50 andere Vertreter unterschiedlicher Professionen und Altersgruppen, die er in dem Buch „Klimawende jetzt“ zu Wort kommen lässt.
Herausgekommen ist dabei beileibe keine Unisono-Beschwörung von Klimakrise und Handlungsnotwendigkeiten und keine Sammlung ultimativer Lösungsvorschläge. Sondern ein durchaus breites Spektrum der unterschiedlichsten Antworten auf die Gretchenfrage unserer Zeit: Wie hältst du’s mit dem Klima?
Dieses Spektrum reicht von tiefster Skepsis:
„Es bleibt zu befürchten, dass alle Fortschritte am Votum der Wählerinnen und Wähler scheitern, die Angst vor Machtverlust überwiegt und sich das Fenster des Handelns endgültig schließt.“ (Uli Mayer-Johanssen Unternehmerin)
… über radikale Selbstkritik:
„Es gibt auf dieser Welt kein nachhaltiges Auto, keine nachhaltige Straße und kein nachhaltiges Flugzeug… Der religiös anmutende Glaube, Menschen könnten einfach die gesamte derzeit genutzte Energiemenge wahlweise durch erneuerbare Energien erzeugen, negiert deren umweltschädliche Rohstoffgewinnung.“ (Albert Denk, Soziologe und Politikwissenschaftler)
… bis zu unerschütterlichem Optimismus:
„Ich glaube daran, dass alle Menschen gute Menschen sein wollen. Ich glaube, dass alle Menschen ein gutes, friedliches, lebenswertes Dasein haben wollen. Und wenn wir ihnen zeigen, dass Klimagerechtigkeit der Weg genau dorthin ist, dann ist es nicht mehr ein »Was gebe ich auf für Klimaschutz?«, sondern ein »Was gewinne ich durch Klimaschutz?«. Und dann haben wir und der Planet gewonnen.“ (Nicco, 37 Jahre, Fridays for Future)
Die von Hermann Theisen vorgelegte Sammlung kann als eine Ermutigung verstanden werden, den eigenen Standpunkt als Teil eines größeren Spektrums von Ansichten einzuordnen und sich darauf einzulassen, ganz andere Aspekte und Perspektiven zuzulassen. Zu denen z.B. auch die Position gehört, die Felix Kruthaup, Mitglied der Students for Future, unter der Überschrift „Lieber Elon als Olaf“ formuliert:
„Die Idee einer extraterrestrischen Menschheit bietet immerhin eine Antwort auf die ökologischen und ökonomischen Probleme der vollen Welt, während das Weiter-so nur sein Bestes versucht, diese Probleme zu kaschieren. Lassen Sie bitte nur die Finger vom Glauben, dass wir mit der Verhinderung eines Wahlsiegs der AfD oder Innovationen à la grüner Strom aus Müllverbrennungsanlagen schon irgendwas Positives erreicht hätten.“
Hermann Theisen selbst lenkt unser Augenmerk auf einen Verursacher des Klimawandels, der bisher aus dieser Perspektive kaum gesehen wird. „Die Rolle von Militär, Rüstungsindustrie und militärischen Auseinandersetzungen für den Klimawandel“ würde „sowohl von Regierungen als auch vom Weltklimarat systematisch ausgeblendet“, stellt Theisen fest und resümiert: „Nichts ist umwelt- und klimaschädlicher als ein Krieg.“
Das Buch „Klimawende jetzt“ ist nicht das, was der Titel suggerieren könnte – ein weiterer aktivistischer Appell, die Katastrophe abzuwenden. Die vielfältigen Beiträge ergeben zusammen stattdessen eher eine im Grundton optimistische und pragmatische Antwort auf die Klimafrage, die sogar phantasiereichen und humorvollen Aspekten Raum lässt:
„Wenn Außerirdische auf die Erde schauen, werden sie denken, die Autos seien die herrschende Spezies. Diejenigen, welche die Autos von einem Ort zum anderen bewegen, die Menschen, sind nur Akteure im Auftrag der Autos.“ (Waltraud Schwab taz-Journalistin und Autorin)