THESMOPHORIA. THE NEW ANCIENT THEATRE

Im Sommer 2022 ist kainkollektiv zu einer großen Recherchereise nach Griechenland (Peloponnes/Athen) aufgebrochen. Mit dem Versuch, dem antiken Theater als Ausgangspunkt der (europäischen) Theater- und Politikgeschichte sowie der aktuellen politischen Situation Europas in seinem südöstlichen (Rand-)Zentrum nachzuspüren, verfolgten wir das Ziel, unserer jahrelangen theatralen Arbeit am (außer-) europäischen Erbe neue Dimensionen zu verleihen. Und das nach allen Pandemie-Unterbrechungen endlich wieder „on the road“ – dort, wo die Projekte von kainkollektiv sich stets am produktivsten entwickeln. 

So fanden die ersten Wochen des Recherchevorhabens buchstäblich auf der Straße statt – in Fahrten zu den antiken Zentren Argos, Mykene, Korinth, Epidauros, Tyrins; in der Begehung der Ruinen einer Geschichte, deren Gründungen sich bis heute als „Zivilisationsgeschichte“ Europas zu lesen geben; nicht zuletzt im Besuch der antiken Theateranlagen, von wo das europäische Theater seinen Ausgang genommen hat und deren gegenwärtige Bespielung – mit mehr als 10.000 Zuschauer*innen im großen Amphitheater von Epidauros – noch immer spürbar werden lässt, welche Kraft in diesem Ausgang unter freiem Himmel lag. Und wie groß die Distanz dieser Erfahrung zu jener des „eingeschlossenen“ Theaters der Blackbox ist, besonders in Zeiten einer Pandemie. 

Von hier öffnete sich unsere Suchbewegung verschiedenen Gesprächs- und Interviewpartner*innen, insbesondere mit Blick auf die aktuelle (politische) Lage in Athen: Von Straßenküchen-Initiativen für Obdachlose und Geflüchtete über Studierendenproteste an den Kunsthochschulen (inkl. dreimonatiger Besetzung des Nationaltheaters!) gegen die von der Regierung betriebene Herabsetzung der Kunststudiengänge auf Schulniveau bis zur Teilnahme an Workshoptreffen der Freien Theaterszene Athens und dem Seminar eines alten Schauspielprofessors waren diese Begegnungen ebenso vielfältig wie eindrücklich. Und so sind wir Stück für Stück über die Zeit von einem Jahr hinweg, in dem wir in Athen einen Film gedreht, ein Hörspiel entwickelt und verschiedene ästhetische Visionen für ein postantikes Theaterfest entworfen haben, zur konkreten Phantasie der Thesmophorien gelangt, jenem geheimen Frauenherbstfest, das den Mysterien des Lebens galt und im Namen der Göttinnen Demeter und Persephone gefeiert wurde.

Von und mit Anelisa Stuurman, Sara Bigdeli Shamloo, Alima, Lydia Polyzoi, Amal Omran, Kristina Peters, Nancy Nko, Catherine Jodoin, Silvia Dierkes, Meret Mundwiler, Bianca Künzel, Edith Nana Voges, Vanessa Chartrand Rodrigue, Richard Behrens. Mirjam Schmuck, Fabian Lettow, Immanuel Bartz u.a.