Der Mauerfall und die Wiedervereinigung jähren sich 2024-2025 zum 35. Mal. Mit diesem zeitlichen Abstand scheinen die Auseinandersetzungen und Debatten in jüngerer Zeit nochmal an Dynamik, Tiefgang und Komplexität zu gewinnen. Die Unterschiede zwischen “Ost” und “West” treten dabei deutlich sichtbar zutage oder sitzen implizit in individuellen Geschichten. Auch in der Begleitung von Organisationen beschäftigt uns dieses Thema. Wir erleben immer wieder Momente von Nichtbesprechbarkeit und Unverständnis. Und so wollen wir uns und euch einladen, gemeinsam einen Tag lang den Fokus auf die eigenen Erfahrungen und Narrative von “Ost” und “West” im Kontext von Organisationen zu legen und sich der dialogischen Spurensuche zu widmen.
Was bedeuten west- und ostdeutsche Prägungen in Bezug auf Berufsbiographien, Transformationserfahrungen, Organisationskulturen, Macht- und Rangdynamiken, Kommunikation und gegenseitiges Verständnis?
An der Oberfläche gibt es Unterschiede in Tarifverträgen und Lohnniveaus, in der Lebenserwartung und in der Vermögens- und Spitzenpositionenverteilung. Gehen wir eine Ebene tiefer, stoßen wir auf Erklärungen wie biographische Brüche, Unterschiede in Ausbildungschancen und -entscheidungen, gesellschaftlich und biographisch geprägte Erwartungen und Bewertungen von Führungsrollen und -verhalten, aber auch “Selbstrekrutierungstendenzen” in Führungsetagen, die von Menschen mit Westbiographien besetzt sind.
Wo begegnen uns heute die Unterschiede in unserem Arbeitsalltag in Organisationen? Tappen wir beim Interpretieren vielleicht zu schnell in die Falle, auf Aspekte von Abgrenzung, Anders- und Fremdartigkeit zu fokussieren und klischeehafte Zuschreibungen vorzunehmen?
“Der Osten” und “der Westen” sind deutlich vielfältiger, als oft plakativ dargestellt. Gleichzeitig erleben wir, dass die unterschiedlichen historisch bedingten Erfahrungshintergründe zwischen “Ost” und “West” tiefergehender und wirkmächtiger sind als andere regional bedingte Unterschiede innerhalb Deutschlands.
Wo sind uns bisher welche Erscheinungen aufgefallen und wann haben wir sie als Ost-West-Muster interpretiert? Welche Erfahrungen gibt es damit, Unterschiede von Perspektiven, Sozialisation, Werten, aber auch erlebten Privilegien oder Benachteiligungen zu thematisieren? Wo haben wir diese als verstörend und wo als bereichernd erlebt?
Gemeinsam mit den Teilnehmenden des oe-tags 2025 wollen wir einen Dialograum schaffen, in dem wir uns mit Neugier, Offenheit und von persönlichen Erfahrungen geleitet begegnen, zuhören und unsere jeweiligen Perspektiven erweitern. Wir wollen erkunden, welche Pfade dieser fokussierte Blick auf unsere Organisations- und Arbeitswelt eröffnet und vielleicht sogar gesellschaftlich Ideen eines gemeinsamen dritten Raumes erschließt.