„Hier muß sich jeder allein helfen.“ Paula, Josef und Frieda Fruchter: Briefe einer Wiener Musikerfamilie aus dem Shanghaier Exil 1941–1949
(Sophie Fetthauer, von Bockel Verlag 2024)
Erst kurz vor dem Erlass des generellen Ausreiseverbots suchte das Wiener Ehepaar Paula und Josef Fruchter zusammen mit seiner Tochter 1941 Zuflucht in dem von Kriegs- und Kolonialkonflikten erschütterten Shanghai. Die Stadt hatte bis dahin bereits gut 18.000 meist jüdische NS-Flüchtlinge aufgenommen, darunter überdurchschnittlich viele Musiker und Musikerinnen. Trotz aller Schwierigkeiten bot das dortige Musikleben ein breites Betätigungsfeld, auch für die Fruchters, die sich im weltlichen und geistlichen Musikleben sowie als Musikpädagogen etablierten, bis sie die Stadt 1949 zunächst Richtung Israel, dann Richtung Österreich wieder verließen.
Historisch bemerkenswert ist, dass die Fruchters während ihres Exils regelmäßig Briefe an ihre Familie und Freunde in Wien schickten. Unter dem Druck von Zensur und Selbstzensur reflektieren diese sozialgeschichtliche Aspekte des Musiklebens in der Extremsituation Shanghais, binden sie doch emotionale Befindlichkeiten, Privatansichten und Alltagsmomente ein, und zwar gerichtet an Adressaten in Wien, die ihrerseits in Angst vor Verfolgung, Deportation und Krieg lebten.
Korrespondenz aus dem Shanghaier Exil ist selten. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt erarbeitete Sophie Fetthauer 2023/24 daher an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg eine Briefedition. Diese ist nun zusammen mit einer historisch-biographischen Studie im von Bockel Verlag erschienen und wird von ihr im Rahmen der Buchpräsentation vorgestellt. Der Sprecher Peter Bieringer wird aus den Briefen lesen.